Den Koffer neu packen


Katja Stucki BA



Metaphern in der Psychoedukation

Der erste Schritt im Genesungsprozess ist die Entwicklung eines Krankheitsverständnisses. Die visualisierten therapeutischen Metaphern unterstützen traumatisierte Kinder dabei, ihr seelisches Leiden besser zu verstehen.


Gestalterisches Mentorat
Luzia Rink und Karin Seiler


Kooperationspartner*innen
Prof. Dr. phil. Markus Landolt
Universitäts-Kinderspital Zürich

Eine Naturkatastrophe von zerstörerischem Ausmass, der Todesfall eines Familienangehörigen oder das Erleiden eines Unfalls können die Seele eines Kindes erschüttern und traumatisierende Auswirkungen haben. Mittels psychologischer Traumatherapie kann das Erlebte verarbeitet werden. Wie kann einem Kind die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung verständlich erklärt werden? Wie kann man es über den Sinn und die Wichtigkeit der Therapie aufklären?

Rhetorische Metaphern werden als Aufklärungsmittel genutzt, um traumatisierten Kindern therapiespezifische Inhalte zu vermitteln. Aktuell existiert jedoch nur wenig psychoedukatives Bildmaterial, das Traumatologen dabei unterstützen kann, traumatisierte Kinderseelen zu heilen.

Die Basis der erarbeiteten Leporellos bilden vier therapeutische rhetorische Metaphern. Drei Metaphern erklären unterschiedliche Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung; die vierte dient zur Therapiemotivation. Die Sujets sind so konzipiert, dass sie individuell und unabhängig von der Ursache des Traumas eingesetzt werden können.







DIN A5 Format (148x210)






Alarmanlage

Die Amygdala (ist ein Teil des Gehirns) spielt eine wichtige Rolle bei der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Situationen sowie der Analyse möglicher Gefahren. Bei einem traumatischen Erlebnis speichert sie alle Faktoren, die mit dem Ereignis zusammenhängen. Dies können Farben, Gerüche, Empfindungen, Objekte oder auch Orte sein. All diese Hinweisreize werden als gefährlich eingestuft. Bei einer Konfrontation mit einem Hinweisreiz, schlägt die Amygdala Alarm. Es kommt zu einer Angstreaktion gepaart mit körperlichen Reaktionen wie Schweissausbruch, Atemnot oder Herzklopfen. Damit eine solche Situation verhindert werden kann, versuchen Betroffene alles zu vermeiden, was die traumatische Erinnerungen auslöst.

In der illustrierten Umsetzung ist die Glocke als Analogie zur Amygdala zu verstehen. Die Darstellung veranschaulicht, dass die Traumatherapie eine angemessene Einstellung der Glocke beabsichtigt.











Furchtnetzwerk

Als Furchtnetzwerk wird die Summe aller gefährlich eingestuften Hinweisreize bezeichnet. Hinweisreize können der Auslöser (auch „Trigger“ genannt) für die Aktivierung des Furchtnetzwerks sein. Ein aktiviertes Furchtnetzwerk kann zu Panikreaktionen führen.

Der rote Ball stellt den „Trigger“ dar.  Die fallenden Steine sind Sinnbilder für einzelne gespeicherte Faktoren die mit dem Trauma in Zusammenhang stehen. In der Therapie soll die unbewusste Kettenreaktion analysiert und aufgelöst werden.









Koffer

Diese Metapher wird bei Flashback-Episoden eingesetzt. Ein Flashback ist ein plötzliches und unwillkürliches Auftreten von Erinnerungen an das Trauma. Diese Erinnerungen können so stark sein, dass die betroffene Person die Erfahrung, oder einzelne Episoden davon, erneut durchlebt.

Der Koffer stellt die Analogie zum Gedächtnis dar. Die einzelnen Kleidungsstücke stehen für Erinnerungen. Bei einem Trauma werden die Erinnerungen nicht richtig verarbeitet und in dem dafür zuständigen Teil des Gehirns gespeichert.  So wie im Koffer ein Chaos herrscht, so herrscht dieses Chaos auch im Gedächtnis. Damit Betroffene nicht immer wieder von Flashback-Episoden überrascht werden, muss im Koffer Ordnung gemacht werden. Die einzelnen Kleidungsstücke werden benannt, ausgebreitet, zusammengelegt und schliesslich ordentlich in den Koffer zurückgelegt.











Holzsplitter

Ein Trauma ist vergleichbar mit einem Holzsplitter, der sich in die Fusssohle bohrt. Wird der Splitter nicht entfernt, kann es zu einer schmerzhaften Entzündung kommen. Jeder Schritt wird zur Qual und die Gehfähigkeit wird schliesslich beeinträchtigt. Folglich muss der Splitter entfernt und die Wunde gereinigt werden. Hierfür ist ärztliche Hilfe nötig. Genauso wichtig ist es, psychologische Unterstützung zu erhalten nach einem erlebten Trauma. Ziel einer Therapie ist es, dass die seelische Wunde heilt und – wie beim Splitter im Fuss – nur eine kleine Narbe zurückbleibt. Diese Metapher wird zur Therapiemotivation eingesetzt.











Einblicke in den Gestaltungsprozess



Narration und Dramaturgie

Wieviele Bilder sind nötig um den Ablauf innerhalb der einzelnen Metaphern nachvollziehbar zu erklären? Wie kann ich das einzelne Bild innerhalb dieses Ablaufs aussagekräftig gestalten?

Die folgenden Skizzen zeigen Entwicklungsschritte und Überlegungen anhand der “Holzsplitter-Metapher“ auf.


Die ersten drei Skizzen der “Holzsplitter-Metapher”. Im Verlauf der Arbeit wurde die Narration ausgearbeitet und verfeinert. 






01
Das erste Bild zeigt wie der Splitter in den Fuss gelangt. Der Schritt ins Bild wirkt dynamisch.



02
Der Zoom, lässt einem näher beim Geschehen sein. Eine Abwechslung des Zooms gestaltet den Bildablauf zudem spannender. 



03 Dieses Bild verdeutlicht, dass Hilfe für die Entfernung des Splitters notwendig ist. 




04
Der Verband wirkt darmatischer
als ein Pflaster. Zudem deutet
ein Verband auf eine ausgedehntere Wunde und somit einen länger andauerenden Heilungsverlauf hin. 




05 Die kleine Narbe ist in einer Zoomdarstellung besesr ersichtlich. 




06 Die Schrittbewegung zeigt, dass die Gehfähigkeit nicht mehr eingeschränkt ist. Es veranschaulicht, dass man nach einer erfolgreichen Therapie unbeschwert weitergehen kann. 


Die beiden kleinen Bilder beinhalten diese Aussage nicht. Aus diesem Grund wurden sie verworfen. 





Abstraktion  

Die Bildsprache soll für Kinder ansprechend und geeignet sein. Bei der Findung und Entwicklung der Bildsprache war die Abstraktion ein grosses Thema. Eine Abstraktion hat den Vorteil, dass die Bilder schnell und einfach erfassbar sind. Eine realistische Umsetzung der Sujets wäre für diese Arbeit nicht zielführend gewesen. Die Wunde am Fuss würde in einer naturgetreuen Darstellung abschrecken und vom Inhalt und der eigentlichen Aussage ablenken. Daher entschied ich mich für einen reduzierten Stil der an analoge Druckverfahren erinnert.

Die Abbildungen zeigen unterschiedliche Varianten die zur Stilfindung dienten.





Farbkonzept

Die ausgewählte Farbpalette bewegt sich zwischen vergrauten Blautönen, unterschiedlichen Rottönen und erdig warmen Brauntönen. Da sich die Farben miteinander kombinieren lassen, entsteht eine einheitliche und harmonische Farbstimmung über die gesamte Arbeit.





Farbliche Akzentuierung und Kontrast

Die Farbe Rot dient bei der “Alarmanlage“ und dem “Furchtnetzwerk“ als Signalfarbe. Durch diese farbliche Akzentuierung wird ein Fokus gesetzt.
Beim “Holzsplitter” wird der Blick durch einen Hell-Dunkel-Kontrast gelenkt.






Typografie und Layout

Das Cover ist schlicht und simple gehalten. Die kleinen Icons wiederspiegeln den Inhalt und visualisieren den Titel. Sie lassen das Cover auf eine subtile Weise spannender erscheinen.

Eine Übersicht von diversen serifenlosen Schriftarten, die mir auf der Suche nach der passenden Typografie half.

Zwei finale Covers. Da die Covers auf den Inhalt abgestimmt sind, unterscheiden sie sich farblich. 




Ausblick


Ziel ist es, dass die gedruckte Arbeit in einer Testphase zur Anwendung kommt.  Am 30.06.2020 wird das Thema im digitalen “Brain Snack” von Science et Cité diskutiert. 







︎
katja.stucki@gmx.ch